Zum Inhalt springen

Sie sind hier:

Steht die umsatzsteuerliche Organschaft auf der Kippe?

Kürzlich sind in zwei laufenden Vorlageverfahren des BFH vor dem EuGH die Schlussanträge der Generalanwältin veröffentlicht worden. In beiden Verfahren geht es im Kern um die Frage, ob die Regelungen in § 2 UStG zur Organschaft mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Wenn nicht, drohen dem Staat möglicherweise erhebliche Steuerausfälle.

Organschaft im nationalen Recht

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG enthält die Legaldefinition der umsatzsteuerlichen Organschaft. Danach wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Im Hinblick auf das zugrundeliegende Unionsrecht werden inzwischen unter bestimmten Voraussetzungen auch Personengesellschaften als Organgesellschaften anerkannt.

Die Rechtsfolgen einer umsatzsteuerlichen Organschaft bestehen insbesondere darin, dass die Organgesellschaften wie rechtlich unselbständige Betriebsteile behandelt werden und dass der Organträger Steuerschuldner für den gesamten Organkreis ist.

Vorlageverfahren des BFH

Beide Vorlageverfahren (Rs. C-141/20 und C-269/20) behandeln die Rechtsfrage, ob die zugrundeliegende Ermächtigung im Unionsrecht zur Bildung einer Organschaft es erfordert, dass die Gesamtheit der Organgesellschaften (auch als „Mehrwertsteuergruppe“ bezeichnet) als Steuerschuldner behandelt wird oder ob es auch – so wie in § 2 UStG – zulässig ist, eine der Organgesellschaften als Steuerschuldner zu behandeln.

In einem der beiden Ausgangsverfahren (Az.: V R 40/19) hat sich der BFH u.a. ausdrücklich mit den möglichen fiskalischen Auswirkungen einer Unionsrechtswidrigkeit der deutschen Regelungen befasst. In dem für den Fiskus ungünstigsten Fall könnte sich dann nämlich der Organträger gegen die bisher gegen ihn ergangenen Steuerfestsetzungen zur Wehr setzen, während eine Steuerfestsetzung gegen einen fiktiven Steuerpflichtigen („Mehrwertsteuergruppe“) sowie gegen die Organgesellschaften mangels bestehender gesetzlicher Grundlagen nicht möglich wäre.

Schlussanträge der Generalanwältin

In ihren am 13.1.2022 bzw. 27.1.2022 veröffentlichten Schlussanträgen stellt die Generalanwältin unmissverständlich klar, dass sie die Regelungen zur Organschaft in § 2 UStG für unionsrechtswidrig hält. Dem als „Warnung“ verstandenen Hinweis des BFH auf erhebliche Steuerausfälle entgegnet sie, dass Deutschland genug Zeit gehabt habe, „die im Zusammenhang mit seiner Regelung für Mehrwertsteuergruppen festgestellten Probleme zu beheben“. 

Den Ausführungen der Generalanwältin ist weiterhin zu entnehmen, dass die Mitglieder einer „Mehrwertsteuergruppe“ selbständige Steuerpflichtige bleiben sollen und eigene Steuererklärungen abzugeben haben. Das impliziert möglicherweise auch, dass Innenumsätze als steuerpflichtig zu behandeln wären.

Mögliche Folgen 

Wie der EuGH in den Verfahren entscheiden wird, ist nicht abschätzbar. Oftmals folgt er zwar den Ausführungen der Generalanwälte, allerdings ist dies auch nicht zwangsläufig der Fall. 

Ebenfalls vollkommen offen ist aus heutiger Sicht, welche Folgen sich aus einer durchaus im Bereich des Möglichen liegenden Unionsrechtswidrigkeit der geltenden Regelungen ergeben. Soweit der Fiskus sich drohenden Steuerausfällen gegenübersieht, wird er sicher alle Hebel in Bewegung setzen, um diese Ausfälle zu minimieren.

Empfehlung: Um mögliche Vorteile aus der EuGH-Rechtsprechung zu sichern, sollten alle Organträger prüfen, ob es sinnvoll ist, derzeit noch offene Besteuerungszeiträume verfahrensrechtlich weiterhin offen zu halten, bis Klarheit über die EuGH-Rechtsprechung und deren Folgen besteht.

Zurück zur Übersicht
Zurück zum Seitenanfang